Hermann Kesten: Die fremden Götter (1949/2018)
Was ist das für eine Welt in Kestens Werk, zu der Volker Weidermann heute keinen Zugang mehr findet? Den Vertretern der Neuen Sachlichkeit, denen sein Schaffen während der Zeit der Weimarer Republik gerne zugeordnet wird, ging es vor allem darum, eine Gegenreaktion zum Pathos des Expressionismus zu formulieren, der als künstlerischer Träger der Kriegsbegeisterung vor 1914 mitverantwortlich gesehen wurde für das Desaster des ersten Weltkriegs. Es ging ihnen um eine illusionslos-nüchterne Darstellung der Wirklichkeit, vor allem der der kleinen Leute, wovon sie sich auch politische Wirksamkeit erhofften. Selbst für Kestens Frühwerk erscheint seinem Biographen Albert Debrunner diese Zuordnung allerdings nicht ganz so eindeutig und in seiner Lyrik stößt er durchaus noch auf Restbestände aus Romantik und Expressionismus. Was Kestens Romane und Erzählungen mit der letztlich gar nicht so „sachlichen“ Kunst seiner Zeit verbindet, ist uns auch aus Gemälden von George Grosz oder Otto Dix vertraut: